• Rundgang um die St. Martins-Kirche Nerchau
  1. Einleitung

    Auf dem Kirchberg begegnet uns die älteste Siedlungsgeschichte der Stadt Nerchau. Auf diesem aufsteigenden Bergsporn unmittelbar an der Muldefurt wurde bereits in slawischer Zeit eine Grenzfeste für die Landschaft Ostchutici angelegt, um diese Furt zu sichern. Der so entstehende Burgbezirk bot Schutz und Sicherheit für die umliegenden Siedlungen, deren Namen auf die Arbeit der Bewohner hinwies:

    Gornewitz    Ort, wo ein Ofen zum Eisenschmelzen ist
    Cannewitz    Ort, wo Pferde gezüchtet werden
    Denkwitz    Ort, wo Waldbienenstöcke sind

    Im 10. Jahrhundert wurde auf dieser slawischen Grenzfeste ein deutscher Burgward errichtet. Dabei erfolgte nach Südosten hin (Richtung Kantorat) die Errichtung eines Lehmwalles. Vermutlich gehörte der noch heute erhaltene Wall zwischen Schule und Kantorat dazu.

    König Otto II. schenkte den im Jahre 968 gegründeten Bistümern in der Folgezeit Orte und Ländereien. So kam im Jahre 974 die Siedlung Niriechua in den Besitz des Bistums Magdeburg. Die slawische Siedlungsstruktur mit ihrer weitgehend genossenschaftlichen Form der bäuerlichen Arbeit blieb über viele Jahrzehnte jedoch nahezu unverändert erhalten. Wir dürfen uns die Übergänge der Siedlungsformen als allmähliche und friedliche Prozesse vorzustellen.

  2. Friedhofsportal

    Ein Portal. Einladende Tür und klare Grenze zugleich. Sie müssen hinauf gehen, ehe Sie hindurch gehen können. Überschreiten eine Schwelle. Gib acht, sagt die Schwelle. Sie verlassen den Alltag und betreten einen geschützten Bereich. Den Friedhof. Den Friedenshof. Nur wer eine Schwelle bewusst überschreitet, vermag das Geheimnis eines Ortes zu entdecken.  Im Portal verdichten sich Grenzerfahrungen. Öffnet sich ein Weg. Hier liegt eine Chance: bewusster und tiefer zu leben. Grenzen zu überschreiten.

  3. Kirche

    Die Kirche. Benannt nach dem Heiligen Martin von Tours, der im 4. Jahrhundert im heutigen Frankreich, in Burgund, lebte und der Legende nach seinen Mantel teilte, damit der am Wegrand sitzende Bettler nicht erfror. Unsere Mäntel heute lassen sich schwer teilen und Bettler sind auch ausgesprochen selten in den Straßen zu sehen. Dennoch erzählt der Name der Kirche bis heute: Nur wer zu teilen, vermag, ist reich.

    Die dicken Mauern erzählen von der romanischen Zeit. Von späteren Erweiterungen. Von Aufschwung und Blüte, überstandenen Kriegen und Neuanfang. Von der ewigen Suche der Menschen nach Gewissheit. In diese Geschichte sind wir eingebettet. Von der Taufe bis zum Grab. Jahrzehnte, die uns groß erscheinen, sie werden hier zu Episoden. Aber sie werden bewahrt. Nicht vergessen. Denn diese Kirche wurde gebaut und bewahrt, weil Menschen an Gott  glauben. Bis heute.

  4. Apsis

    Die Apsis, der halbkreisförmige Altarraum. Sie symbolisiert das Haupt der der Kirche. Die Stützmauern sechs an der Zahl geben Halt und symbolisieren in der Draufsicht die Dornenkrone des Gekreuzigten. Deshalb ist sie auch ganz leicht zur rechten Seite hin verschoben. Erzählt so von Karfreitag.
    Die Apsis weist in östliche Richtung. Fängt mit ihren großen Fenstern das Licht der aufgehenden Sonne ein.  Erzählt jeden Tag neu von der Auferstehung Christi am Ostermorgen.  All das erzählt die Kirche ohne Worte.

  5. Alte Schule 

    Die alte Schule. Seit der Reformation waren Schule und Kirche verbunden. Die Kinder erlernten das Lesen mit dem Katechismus und das Singen mit dem Herrn Kantor. Was sich einfach anhört, war kulturgeschichtlich eine Sternstunde. Der Klassenraum im Erdgeschoss, die Lehrerwohnung oben drüber. Kurze Wege und geringe Kosten.
    Der Lehrerberuf kannte allerdings bereits zu dieser Zeit manche Härte. So berichtet Wilhelm Busch im 4. Streich der Erzählung von Max und Moritz :

      Eben schließt in sanfter Ruh Lämpel seine Kirche zu;
      und mit Buch und Notenheften nach besorgten Amtsgeschäften
      lenkt er freudig seine Schritte zu der heimatlichen Hütte,
      und voll Dankbarkeit sodann zündet er sein Pfeifchen an
      Ach! spricht er Die größte Freud ist doch die Zufriedenheit!!
      Rums !! Da geht die Pfeife los mit Getöse schrecklich groß

  6. Kantorat

    Das alte Kantorat. Bis in die neunziger Jahre wirkte hier der jeweilige Kantor unserer Gemeinde; zuletzt Kantor Schiffner. Das lateinische kantor heißt übersetzt Sänger . Es bezeichnete einst den Vorsänger im gregorianischen Choral, später den Gesangsmeister der Kirche. Die Musik mit ihrer Fähigkeit, die Sinne des Menschen zu berühren und zu wecken, war zu allen Zeiten Teil des Gottesdienstes. Das Haus entstand 1810 und lehnt sich baulich in vielen Details an das Pfarrhaus an.

  7. Pfarrhoftor

    Kein Lieferauto durchfährt die Einfahrt. Zwar misst der Torbogen im Scheitelpunkt 4 Meter, dennoch signalisiert er unausgesprochen Einhalt. Dahinter liegt der Drei-Seiten-Hof mit Pfarrhaus, Pfarrscheune und früherem Stallgebäude. Auf der Pfarrwiese finden Gemeindefeste, Lagerfeuer und Sommerfrühstück statt. Hier zelten Konfirmanden und Vater-Kind-Freizeiten, die mit ihren Fahrrädern Station machen. Der große Apfelbaum spendet tagsüber Schatten, bis am Abend die Sonne hinter dem Scheunendach verschwindet. Nachts begegnen Igel, Glühwürmchen und Fledermaus. Und im Winter Marder, Fuchs und Reh. Chefin über alle ist die Mieze. Nur die Fledermäuse wohnen im Glockenturm.

  8. Pfarrhaus

    Das Pfarrhaus. Obwohl in seiner jetzigen Gestalt über 2 Jahrhunderte alt, trifft die Bezeichnung altes Pfarrhaus nicht zu. Im Pfarrarchiv findet sich unter der Jahreszahl 1800 (dieses Baujahr findet sich über dem Eingang) folgender Eintrag: Den 20. März wurde mit der Einreißung der alten Pfarre der Anfang gemacht, um eine neue zu erbauen. Die alte hatte zufolge der über der Hausthüre in Stein gehauenen Jahrzahl über drittehalb hundert Jahre gestanden .  Also seit 1450. Aus dem Haus mit, Zitat: Backofen, Studierstube und sechs kleinen Kammern wurde inzwischen ein Haus mit Gemeindeküche, Archivraum und Pfarrbüro.

  9. Jugendhaus

    Ein kleines Haus, äußerlich eher eine Kapelle. Früher Wirtschaftshaus für Lehrer und Kantor. Innen mit dem Notwendigsten ausgestattet, um gemeinsame Zeit verbringen zu können: Tisch, Stuhl und Herd. Aber auch Kicker und Billard. Es ist das Haus der jungen Leute. Sie haben es gestaltet und eingerichtet. Manchmal ist es das Gästehaus unserer Gemeinde für kleine Gruppen (bis 15 Personen) und auch für Familienfeiern.  

Kirche

Friedhof

Pfarrhaus


 
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